Teil I
Weit jenseits des Horizonts, am anderen Ende dieses großen Meeres liegt ein Land welches hier in Althea wohl nur den alten Göttern bekannt sein dürfte. Ein Land wunderschöner, beinahe unberührter Natur. Wann immer Fremde dieses Land entdeckten, sahen staunende und verträumte Augen weite Sandstrände, die sich sanft in nur leicht bewachsenen Dünen verlaufen. Gleich dahinter verloren sich ihre Blicke in einem prächtigen Farbenmeer aus den verschiedensten Blumen, die sich über weite Teile des Landes erstrecken, durch die Dünen vor Sturm und unruhiger See geschützt. Vereinzelte weiche Flüsse, die sich hier und dort unerschöpflich in kristallklaren Seen verlaufen. Und Tiere, eines sonderbarer als das nächste, die an diesen lebenspendenden Quellen ihren Durst stillen.
Aber dennoch ist es so, dass dieses Land weitestgehend unberührt bleibt. Und auch die seefahrenden Völker oder gar räuberischen Piraten wagen sich nur sehr selten, dieses Land trotz seiner zweifellosen Schönheit zu betreten. Denn diese staunenden Augen erblicken nicht nur die paradiesche, einladende Natur dieses verwunschenen Landes, sondern in seinem Landesinnern auch ein Zeichen der Warnung und der Gefahr. Denn..
Im Mittelpunkt dieses sagenumwobenen Landes stehen die, wie wir sie nennen, Feuerberge. Riesige Berge, gefüllt mit dem heißesten Feuer, dass ihr euch vorstellen könnt. So heiß, dass das Feuer an vielen Stellen des Gebirges den Stein schmelzen und zu flüssigen Bächen aus Feuergestein rinnen lässt. Es gibt dort in den Bergen ganze Seen aus flüssigem Feuergestein.
Aus der Entfernung, so erzählen es die Piraten und Seefahrer, sieht es aus als würden diese Berge bluten und wie ein böses Omen über dieses Land wachen. Deshalb ist dieses Land, so man überhaupt davon erfuhr, auch als Land der blutenden Berge bekannt.
Und Jene, die in den fruchtbaren Gebieten die an das Gebirge angrenzen leben wissen, dass sich unter dem Jahrmillionen alten Gestein ein Reich verbirgt, das weit jenseits unserer Vorstellungskraft liegt. Aus diesen fruchtbaren Grenzlanden stammen wir, Cataleya, ich und unser Volk, die Glimmertränen. Wir lebten bis vor wenigen Monaten gemeinsam mit unserem Volk dort.
Wir nennen unsere Heimat die Glimmerebenen, weil dort im Schatten der Feuerberge bei Tage wie bei Nacht ein Riesel aus glimmernden Funken niedergeht. Unser Leben dort ist sehr schlicht und folgt seit Jahrtausenden einfachen Regeln, die uns aus ebenso alten Schriften überliefert wurden. Den Kern unserer Kultur bildet dabei eine außergewöhnliche, magische Klinge.
Der Sage nach wurde diese Klinge einst von unseren Vorfahren im Reich des Feuers unter den Bergen geschmiedet.
Zu einer Zeit als die Feuer-Dämonen ihr Reich unter den Bergen noch verließen, die Völker der Glimmerebenen angriffen und deren Ländereien in Feuer und Chaos zurückließen. Unsere fähigsten Schmiede, beschützt durch unsere stärksten Krieger, schmiedeten damals im Reich des Feuers eine Waffe, die diesem fürchterlichen Treiben ein für alle mal ein Ende setzen sollte, die Seele des Verglühens. Der Plan glückte und mein Volk schlug die Feuer-Dämonen mit ihrer eigenen Waffe, der Macht des Feuers - und trieb sie damit bis heute in die Tiefen ihres Reiches zurück.
Um die Macht des Feuers in dieser Klinge zu binden und einen Missbrauch dieser Macht zu verhindern, wurde sie für alle Zeit durch eine uralte starke Magie verzaubert, so dass nur würdige Träger die Klinge führen dürfen. Diese Klingen-Träger entstammen seit jeher nur dem Volke der Glimmertränen und zeichnen sich durch ihre besonders reinen Seelen aus. Aus diesem Grunde tragen die zu tiefst verehrten Auserwählten bei uns den Ehrentitel Glimmerseele.
Es gibt kein Ritual, kein Gesetz wonach die Klinge vererbt würde. Stirbt eine Glimmerseele, so überträgt sich die magische Verbindung der Klinge von ganz allein auf die nächste. Auserwählte Glimmerseelen werden die Verbindung zur Klinge unmittelbar spüren. Ja auch körperlich und geistig, treten einige Veränderungen an ihnen ein. Die Haut wird sichtlich blasser, das Haar färbt sich feuerrot, Wille sowie Geist sind gefestigter und klarer als je zuvor und eine jede Glimmerseele umringt fortan eine Aura der Güte und Wärme.
Leider war unsere letzte Glimmerseele schon sehr alt, über einhundertundzwanzig Sommer hat er die Glimmerebenen behütet.
Als dann die kühleren Monate aufzogen verschlimmerte sich sein Zustand zusehends und es gab nicht mehr viel Hoffnung, noch viel länger unter seiner weisen und gutmütigen Führung leben zu dürfen. Doch dann, eines Tages, kam ein unscheinbarer Fremder in unser Land und versprach uns unsere Glimmerseele heilen und ihm eine weitere Jugend bescheren zu können, im Gegenzug sollten wir ihm gewähren unsere Bräuche zu studieren.
Geblendet durch unsere grenzenlose Hoffnung unsere verehrte Glimmerseele in neuem Glanze erstrahlen zu sehen, führten wir den Fremden zu unserer geschwächten Glimmerseele. Viele Angehörige, auch anderer Völker der Glimmerebenen, waren zu jener Zeit ebenfalls anwesend und wollten der wundersamen Heilung unserer Glimmerseele beiwohnen. Sie alle wurden Zeuge von dem, was dann geschah. Als wir erkannten, weshalb der Fremde wirklich in unser Land kam, war es bereits zu spät. Er nutze die Schwäche der Glimmerseele und unsere grenzenlose Hoffnung aus und ermordete sie.